Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Dienstag, 4. September 2012

Wurstelheimer Empfehlungen zur Pastoral (5): Notwendige pastorale `Lügen`



Wir fahren fort mit den Auszügen aus den Pastoraltipps von Pfarrer Schlau aus Wurstelheim. Da die Beiträge zu den übrigen Sakramentenkatechesen sich sinngemäß in vielem mit dem schon Zitierten überlappen, wenden wir uns nun einem moraltheologischen Thema zu, das in vielen Bereichen Fragen der Pastoral berührt, der barmherzigen oder pastoralen Lüge:

„Möglicherweise erstaunt die Überschrift dieses Kapitels, „Die Notwendigkeit der pastoralen Lüge“, die pastoral Unerfahrenen ein wenig. Lügen als Seelsorger, werden sie sich fragen, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Das verstößt doch gegen das siebte Gebot!
Hier zeigt sich schon wieder die uns wohlbekannte Starrheit des Denkens: Gebote! Gott will doch unsere Freiheit! Der Originaltext spricht doch nur davon, dass man gegen den Nächsten kein falsches Zeugnis ablegen soll. Selbstverständlich fordere ich meine Gemeindemitglieder nicht zu Falschaussagen vor Gericht auf.
Ganz bewusst habe ich den Ausdruck ‚Notwendigkeit‘ gewählt, nicht etwa ‚Wichtigkeit‘, unsere Worte müssen Not wenden, Barmherzigkeit verwirklichen. Das Gegenteil dessen, was eine brutal an den Kopf geschmetterte ‚Wahrheit‘ bewirken würde. Wer von uns kennt nicht selbstgerechte Menschen, die im Namen der Wahrheit andere mit ihren Worten niederschlagen, wir aber wollen unserem evangeliumsgemäßen Auftrag nach aufrichten!  
In den vorhergehenden Kapiteln habe ich im Rahmen der Sakramentenkatechese bereits auch einige Beispiele erwähnt. Wer würde, um das zu wiederholen, auch einem Sterbenden zusätzliche Last auflegen, indem er ihn an eventuell begangene Fehler erinnert? Wer wird seine nachvollziehbaren Lebensentscheidungen plötzlich zur Sünde deklarieren wollen? Oder wer würde gar trauernden Hinterbliebenen gegenüber Andeutungen machen, es könne angebracht, um das ‚Seelenheil‘ ihres geliebten Verstorbenen zu beten! Das würde ja implizieren, dass er möglicherweise nicht in die Seligkeit gelangt sein könne bisher. Die Bedrückung, die das verursachen würde! Nein, besser ermutigt man sie, in gläubiger Zuversicht davon auszugehen, dass der Verschiedene nun bereits in der Gemeinschaft der Heiligen für sie Fürsprache tun kann. Denn gleich, womit er im Leben zu kämpfen mochte, die allumfassende Barmherzigkeit Gottes hat ihn nun zweifellos aufgenommen.
Dass Kritik an der Lebensführung der uns anvertrauten Gläubigen, die stets nur in Verantwortung vor ihrem Gewissen handeln, völlig ausgeschlossen ist, habe ich ja auch schon dargelegt. Wichtig ist es diese Eigenständigkeit zu fördern und zu betonen, dass jeder in sich selbst die Wahrheit erspüren kann und soll. Unsere Aufgabe ist es, sie vor falschen Schuldgefühlen zu bewahren und bei Zweifeln bestärkend beizustehen.
Der kreative Umgang mit der Wahrheit ist auch dann äußerst wichtig, wenn wir uns mit den unglücklichen Menschen konfrontiert sehen, die sich krampfhaft an Regeln und Ordnungen klammern wollen. Zu ihrer Beruhigung sollten wir gelegentlich an öffentlichen Orten, an denen möglichst wenige  von denen versammelt sind, die wir vor ihren angstmotivierten Verirrungen bewahren müssen, Sätze fallen lassen, die auch ihre Ansichten reflektieren. Gut dazu eignen sich zum Beispiel die Standardgottesdienste, die ohnehin die Zukunftsträger unserer Arbeit kaum ansprechen.
Das löst zugleich das Problem, das manche der uns übergeordneten Stellen, von deren Seite wir leider mit Beobachtung rechnen müssen, dadurch ebenfalls Beweise erhalten, dass wir durchaus das vertreten, was sie als katholische Lehre betrachten. Ein gutes Beispiel hierin gibt uns der eine oder andere Bischof, Namen will ich hier aus verständlichen Gründen nicht nennen.  Mancher ist ein wahrer Meister darin, seine Aussagen im externen und internen Forum äußerst gelungen auszubalancieren, um so optimal wirken zu können.
Wie wir an diesen Vorbildern erkennen können, heiligt der gute Zweck die Mittel, zu denen wir leider manchmal greifen müssen. Natürlich steht in diesem bedauerlichen Werk, das als katholischer Katechismus vertrieben wird, das Gegenteil, der Zweck heilige nie die Mittel. Aber daran können wir schon deutlich sehen, wie gering die Vertrautheit seiner Verfasser mit der pastoralen Wirklichkeit ist.
Obwohl ich natürlich strengstens gegen alle Verbote bin und mit Grauen an die Zeiten der Indexliste der Bücher zurückdenke, habe ich manchmal den Eindruck, dass jenes Buch tatsächlich dort gut aufgehoben sein könnte. Andererseits führt es glücklicherweise selten zu Verwirrungen, da die meisten ohnehin keinen Blick hineinwerfen, da sie uns echte Seelsorger als verlässliche Quelle zu allen wichtigen Glaubensaussagen kennen und wir ihnen verständlicherweise versichern, dass sich die Lektüre nicht lohnt, da man darin eine der Pastoral völlig fernstehende Ansammlung von klerikalen Behauptungen findet, die mit der Lebenswelt normaler Menschen nicht vereinbart werden kann. Auch die bahnbrechenden Erkenntnisse unserer weltweit führenden Theologen sind darin so gut wie gar nicht berücksichtigt. Eine solche Missachtung der Wissenschaft spricht ohnehin für sich.
Am besten belasten Sie auch sich selbst nicht mit dieser deprimierenden Lektüre. Verkünden Sie die Wahrheit, die Gott ihnen ins Herz gelegt hat und sie müssen nicht auf tote, auf Papier geschriebene Worte zurückgreifen. So werden wir schon bald erleben, wie die Barmherzigkeit über den unbarmherzigen Legalismus triumphiert. Unser Lohn ist es, die Heerscharen glücklicher Gläubiger zu sehen, die kirchlicher Bindungen gar nicht mehr bedürfen sondern frei und selbstbewusst das Zeugnis ihres Glaubens in die Welt tragen: Es gibt keine Verdammnis mehr. Wir selbst können unsere Welt in ein Paradies der gegenseitigen Annahme, der Barmherzigkeit und der Toleranz verwandeln.“

Wir bleiben im Gespräch mit dem Verlag, ob wir hier noch weitere Auszüge aus Hochwürden Schlaus lehrreichen Erfahrungen eröffentlichen dürfen.

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