Oremus pro Pontifice nostro Franzisco.

Dominus conservet eum et vivificet eum

et beatum faciat eum in terra et

non tradat eum in animam inimicorum eius.

Montag, 3. Dezember 2012

Wie katholisch war kreuz.net?

Da die unsägliche Seite vom Netz ist, kann ich sie ja einmal ausschreiben, ohne damit jemanden dort hinzuschicken.

Barer Unsinn wird zur Zeit leider viel verbreitet. Für ein Musterbeispiel besuche man einmal den Beitrag von t-online. (Ich denke gerade darüber nach, zu einem anderen Provider zu wechseln, nachdem ich diese Sammelsurium von falsch zusammengestellten und falschen Behauptungen gelesen habe.)

Denn, Kirche in Not hat ganz sicherlich keine Finanzierung für kreuz.net gegeben und zwischen kreuz.net und kath.net liegen unendliche Weiten. Außer man macht es wie gewisse Kreise, die kolportieren, dass alles, was katholische Lehrmeinung ist per se fundamentalistisch usw. sei.

Und so grausig es auch vermutlich immer im Kommentarbereich von kreuz.net zuging, es gab dort auch (weitgehend) sachliche Artikel; die Redaktion hatte nur den Hang diese dann mit polemischen Titeln zu versehen, die auf oder unter dem Niveau der Zeitung mit dem 4-buchstabigen Namen waren. Es ist jedoch nicht zufällig, dass das unsägliche Portal so viele 100.000 Zugriffe hatte, man stieß bei vielen Sachrecherchen darauf und konnte aus dem Unrat doch auch einige relevante Informationen heraussieben.

Zurück zur Frage: Wie katholisch war kreuz.net?
Wenn man sich die Mehrheit der regelmäßigen Nutzer und Kommentatoren ansah und wohl auch die Betreiber und nach deren Denomination gefragt hätte, hätte wohl bei den meisten oder sehr vielen römisch-katholisch gestanden. Daher macht man es sich zu einfach, wenn man entgegenhält: dieses Portal war absolut unkatholisch.

Richtig ist, dass Verleumdung, üble Nachrede, unmäßiger Zorn, Beschimpfung anderer usw. zutiefst jeder christlichen - und damit auch römisch-katholischen - Grundhaltung widersprechen. In diesem Sinne war kreuz.net ein aus katholischer Sicht schon geradezu blasphemisches Portal.

Wieso aber haben sich dann so viele Katholiken darauf herumgetrieben?
Vielleicht kann ich das am Beispiel eines Bekannten erläutern, übrigens die einzige Person meiner Bekanntschaft, die dort regelmäßig vorbeischaute. (Ich vermute und hoffe, dass er nicht in der Kommentarschlacht dort mitwirkte.)
Dieser Mensch ist grundkatholisch und würde sich sogar selbst gerne dem konservativen Lager zuordnen. Im Privatleben zeichnet er sich durch enorme Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Kontaktfreude aus. Er hat durchaus evangelistische Talente und hat durch authentisch gelebten Glauben schon manch einem aus seinem weitgehend nicht-katholischen Umfeld auf die Idee gebracht zur katholischen Kirche zu konvertieren.

Nur manchmal fing in den letzten Jahren der liebenswürdige Mensch an, ein giftiges Zeug von sich zu geben, aus dem ich haarscharf folgern konnte, er hatte wohl einmal wieder kreuz.net besucht. Nach einigen meiner Philippikas über das äußert unchristliche Verhalten das er danach an den Tag legte und das in völligem Widerspruch zu allem andern stand, das er sonst tat und redete, hat er sich dann auch tatsächlich die Kandarre angelegt und es wurde verträglicher.

Warum hat er sich auf diesem Portal herumgetrieben? Ich denke, da spielen viele Gründe hinein. Sicherlich war es ein Stück Sensationslust, man konnte da oft auf so richtig skandalöse Dinge stoßen. Dann waren es natürlich auch katholischen Interna, die nirgendwo sonst zu finden und zu erfahren waren. (Ich weiß noch, wie vor einigen Jahren eine alte Dame vage aber beharrlich über ihren Pfarrer klagte. Um zu verstehen, was da los war, half kreuz.net durchaus weiter. Es war nichts Schlimmes, der Geistliche hatte nur manchmal eine etwas rüde Art. - Man fand dort also nicht nur Verleumdungen.)

Es gibt aber noch ein Element. Wie Peter Winnemoeller schon ausgeührt hat, besteht da eine katholische Subkultur. Ich zitiere: "Der Nährboden für ein solches Portal bildet sich auch(!) auf verschlossenen bischöflichen Türen, unbeantworteten Briefen und Mails und auf dem Gefühl von den eigenen Hirten und ihren Mitarbeitern öffentlich im Stich gelassen zu werden. Er bildet sich auch(!) auf dem Boden einer allzu schwammigen Sprache in der Verkündigung und im Umgang miteinander. Solcherart fruchtbar gemachter Boden läßt die Saat des Übels nur zu leicht aufgehen."

Es gibt eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Katholiken, die jahrzehntelang im Grunde weder Gehör noch Öffentlichkeit finden konnte. Die meisten von ihnen haben kein Internet. In Bezug auf ihre diözesanen Bischofsbüros sagen sie resigniert: "Denen ist doch sowieso alles egal." Anfangs versuchten sie mit dem, was sie verstört, befremdet und verunsichert mit den entsprechenden Stellen in Kontakt zu treten. Sie wollten helfen, unterstützen, mitarbeiten und wurden abgeschmettert, als pharisäisch beschimpft, wenn sie moralische Bedenken hatten, als reaktionär und weltfremd, wenn es um liturgische Fragen ging, als Denunzianten, wenn sie Kirchenrechtsbrüche zu Gehör bringen wollten. Die meisten haben sich zurückgezogen. Die, deren Glaube eher oberflächlich war, sind vielfach aus der Kirche ausgetreten, die sie nicht mehr als Heimat empfanden; es hat sie entwurzelt. Andere haben sich auf Grabenstellungen zurückgezogen und sind verbittert und attackieren alles, was sie in Frage zu stellen scheint.  Manche haben sicherlich auch heftige Neurosen entwickelt. Viele haben in letzter Verzweiflung nach Rom geschrieben, weil sie bei ihrem Bischof keinerlei Gehör fanden. Nur in Rom wurden sie zwar gehört aber dennoch allein gelassen; wegen der Achtung der bischöflichen Kollegialität sei leider kein Eingreifen möglich so sehr man bedaure. Wen wundert es da, dass einige sehr bitter reagieren, wenn sie die Worte "Kollegialität" oder "Dialog" hören? Dialog gab es immer nur für einzelne Gruppen. Viele haben sich in eine Art Ghetto zurückgezogen und dass Ghettos nicht gerade der Weltoffenheit förderlich sind, ist ja eine Binsenweisheit.

Kann es auch wundern, dass vieles Wunderliche und Skurrile mit an den Tag getreten ist, als sich nach Jahrzehnten allmählich Möglichkeiten fanden, sich gerade über die neuen Medien mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen? Und wundert es wirklich, dass bei manchen Bitterkeit und Zorn die christlichen Überzeugungen überwuchert haben? Insbesondere da die einzigen Seelsorger, die sie in den langen Jahren fanden, oft sehr traditionalistischen Kreisen entstammten? Viele haben auch den Weg dorthin abgelehnt. Viele haben gar keinen Seelsorger mehr gefunden, wussten oft gar nicht, dass andere, denen es ging wie ihnen gar nicht soweit entfernt waren und haben sich selbst alles nach besten Kräften zusammengereimt. - Natürlich nicht das Bildungsbürgertum, die einflussreichen konservativ-katholischen Kreise, deren Einfluss allerdings auch schon lange auf kleine Zirkel geschrumpft war. Dort fand man allerdings aufgrund der ebenfalls starken Isolierung oft nur eine Rückverstärkung des Extremen. Man hielt sich auch sehr für sich. Ich habe über diese Kreise nur gelegentlich Gerüchte gehört, meistens wenn jemand mich aus irgendwelchen Gründen dort einsortieren wollte, obwohl ich aus einem völlig anderen Umfeld komme.

Ich persönlich war für diese sehr konservativen Kreis ohnehin völlig uninteressant, denn ich hatte bis dahin meinen Weg in die charismatische Erneuerung gefunden, auf der Suche nach Menschen, irgendwem, die nicht nur dauernd über Kirchenpolitisches diskutieren wollten sondern mit denen ich mich über persönliche Glaubens- und Gotteserfahrungen austauschen konnte. Das Charismatische ist aber für viele aus dem konservativen Lager ein völliges Anathema, da man es - völlig zu Unrecht - eher Richtung okkult einordnet.

Was auch ein Grund ist, dass ich Publikationen wie kreuz.net mit sehr vorsichtiger Distanz gegenüberstand: denn in solchen Kreisen, wie sie sich dort tummelten, bekommt alles, was sich "charismatisch" nennt, auch einige Schelte ab, um es ganz höflich und vorsichtig auszudrücken. Das Schicksal teilen wohl so einige katholische Bewegungen, von den einen als erzkonserativ und ähnliches verschrien, von der anderen Seite als  Gefährdung des wahren Glaubens eingestuft. Für ein und denselben Satz kann man die Rückmeldungen bekommen, dass er sowohl völlig unkatholisch sei, weil zu protestantisch angehaucht, als auch extrem konservativ-katholisch  und zu unökumenisch. Man konnte immer froh sein, wenn zumindest die Klippen vermieden waren, gleich als Fall für den Psychiater eingestuft worden zu sein - von allen Seiten. Die Position der katholisch-charismatischen Erneuerung ist es aber, sich möglichst aller Polemiken zu enthalten, sich möglichst nicht an innerkirchlichen Grabenkämpfen zu beteiligen und zu tun, was der Einheit dient, ob nun in ökumischem Engagement (Anathema für die eine Seite) oder in Treue zum kirchlichen Lehramt (Anathema für die andere Seite).

kreuz.net war also durchaus ein katholisches Phänomen, auch wenn die Art seines Umgangs mit Problemen zutiefst unchristlich und unkatholisch war. Es war die Folge eines über Jahrzehnte verweigerten Dialogs mit vielen Katholiken, die viele in ein Extremismen nahestehendes Denken getrieben hat. Es war eine Eiterbeule.Eiterbeulen entstehen, wenn das Immunsystem eines Körpers versucht mit lebensgefährlichern Krankheitserregern fertigzuwerden. Eiterbeulen schmerzen und wenn die Abszesse nicht rechtzeitig geöffnet und beseitigt werden, können sie lebensgefährlich werden. Eiterbeulen sind aber auch Nebenerscheinungen von Krankheits- und Heilungsprozessen. Sie entstehen, weil versucht wird, etwas noch Zerstörerisches zu eliminieren. Eiterbeulen sind der Hinweis auf Krankheitsherde und dass Hilfe vonnöten ist. Eiterbeulen können zu Sepsis und Vergifungen führen oder auch einfach abheilen, wenn der Eiter abfließen konnte. Und wenn so eine Eiterbeule geöffnet worden ist, bleibt eine Wunde zurück, die angemessene medizinische Versorgung braucht, damit kein neuer, eventuell schlimmerer Eiterherd entsteht. Ob diese Wunde das bekommen wird? Oder ob der Verband, der sie jetzt zudecken soll, nie gewechselt wird und vor sich hin modert?

1 Kommentar:

  1. Sehr interessante Analyse - "Eiterbeule" ist eine originelle und korrekte Diagnose!

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